Rechtslatein
Juristen verwenden gerne lateinische Redewendungen und Begriffe. Auch wenn man kein kleines oder sogar großes Latinum für den Beginn des Jurastudiums benötigt, sollte man die grundlegenden Rechtsbegriffe beherrschen, um sie übersetzen und im richtigen Kontext anwenden zu können. Sonst kann es schnell peinlich werden!
Eine noch umfassendere Übersicht über die lateinischen Rechtsbegriffe findest du auch auf wikipedia. Hier findest du eine Auswahl der für das Studium wichtigen Rechtsbegriffe aus dieser Liste sowie einige Beispiele hierzu.
A​
a posteriori
„Von dem, was nachher kommt“.
a priori
„Vom Früheren her“: vorausgesetzt/vorangestellt oder von vornherein.
A limine
„Von der Schwelle/Schranke (des Gerichts)“: Sammelbegriff für (negative) gerichtliche Entscheidungen, die typischerweise durch Beschluss, ohne vorherige mündliche Verhandlung und ohne Beweisaufnahme ergehen.
Aberratio ictus
„Fehlgehen des Schlages“: Figur der Versuchslehre im Strafrecht. Form des Irrtums, bei der der vom Täter beabsichtigte Erfolg bei einem anderen als dem von ihm anvisierten Objekt eintritt. Gegensatz zu (error in persona vel in obiecto).
Accidentalia negotii
„Geschäfts-Nebenpunkte“: zusätzliche Abreden über Nebenpflichten und andere Nebenpunkte des Vertragsinhalts. Bsp. bei einem Kaufvertrag: Lieferbedingungen, Garantebedingungen.
Actio illicita in causa
Einwand, dass ein Notwehrrecht nicht bestehe, weil die Notwehrlage durch den Verteidiger provoziert wurde.
Actio libera in causa
„Eine Handlung, die ihrem Grunde nach frei ist“. Rechtskonstruktion im Strafrecht mit vorverlagerter Schuld kraft Fiktion. Bsp.: Der Täter trinkt sich Mut an, um im schuldunfähigen Zustand einen Mord begehen zu können. Mangels Schuldunfähigkeit im Tatzeitpunkt wird seine Strafbarkeit an seinen Entschluss zur Tatbegehung zu dem Zeitpunkt geknüpft, zu dem er noch nüchtern war.
Actio negatoria
Klage wegen Eigentumsstörung des Eigentums im römischen Recht (vgl. § 1004 BGB).
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Actio pro socio
Gerichtliche Geltendmachung der Gesellschaft zustehender Sozialansprüche durch einen einzelnen Gesellschafter als Prozessstandschafter.
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Actus contrarius
„Gegenakt“: Mit dem Begriff umschreibt man schlagwortartig die These, dass eine Rechtshandlung und eine Handlung, die das Gegenteil bewirkt, dieselbe rechtliche Qualität haben. Bsp.: Nicht nur die Erteilung einer Genehmigung ist ein Verwaltungsakt, sondern auch die Aufhebung der Genehmigung.
Aliud
„Etwas Anderes“: Bezeichnung des Anspruchsziels. Insbesondere im Kaufrecht von Bedeutung. Wird zur Erfüllung des Kaufvertrags eine andere Sache („aliud“) geliefert, besteht der Erfüllungsanspruch fort. Es muss zu einer bloßen Schlechtleistung abgegrenzt werden, bei der allenfalls Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche in Betracht kommen.
Animus auctoris
„Urheberwille“: im Strafrecht der Wille, eine Tat zu begehen. Gegensatz zu (animus socii).
Animus socii
„Wille des Gesellschafters“: im Strafrecht ist es der Wille zur Beteiligung an der Haupttat (Anstiftung, Beihilfe).
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Argumentum a fortiori
„Schluss vom Stärkeren her“: Größenschluss/Erst-Recht-Schluss – siehe argumentum a maiori ad minus und argumentum a minori ad maius.
Argumentum a maiore ad minus
„Schluss vom Größeren auf das Kleinere“. Bsp.: Wenn einer Behörde gesetzlich das Ermessen zusteht, eine Erlaubnis zu erteilen oder zu versagen, so kann sie erst recht auch eine Erlaubnis mit einer Beschränkung (wie z.B. einer Auflage oder Befristung) erteilen.
Argumentum a minori ad maius
„Schluss vom Kleineren auf das Größere“. Bsp.: Wenn es verboten ist, zu zweit auf einem Fahrrad zu fahren, dann ist es erst-recht verboten, zu dritt auf einem Fahrrad zu fahren.
Argumentum ad absurdum
„Schluss aus dem Absurden“: Prüfung einer anderem als der bevorzugten Auslegung, wobei dies zu einem untragbaren Ergebnis führt. Aus dem absurden Ergebnis dieser Auslegung wird dann gefolgert, dass die vertretene Auslegung zu bevorzugen ist. Schluss vom absurden Ergebnis auf die falsche Auslegung.
Argumentum e contrario
„Gegenschluss“, „Umkehrschluss“: Untermauerung der eigenen These mit der Falsifizierung des Gegenteils.
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B
Bona fide/Bona fides
Gutgläubig/Guter Glaube. Gegensatz zu mala fide. Vgl. § 932 Abs. 2 BGB.
Brevi manu traditio
„Übergabe kurzer Hand“: Übereignung ohne Übergabe (vgl. § 929 S. 2 BGB).
C
Cessio legis
„Forderungsübergang kraft Gesetzes“. Z.B. §§ 268, 401 Abs. 1, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1, 1143 S. 1, 1225, 1249, 1607 Abs. 2 BGB, § 86 VVG, § 115 SGB X.
Condicio sine qua non
„Bedingung, ohne die nicht“: Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass ein bestimmter Erfolg entfiele. Formel im Straf- und Deliktsrecht zur generellen Bestimmung, ob eine Handlung kausal für etwas war.
Condictio
Anspruch auf Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung.
Condictio indebiti
„Rückforderung von Ungeschuldetem“: Condictio aus Bezahlung einer Nichtschuld. Vgl. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.
​
Condictio ob causam finitam
Leistungskondiktion: Rückforderungsanspruch, wenn der ursprünglich bestehende Rechtsgrund später wegfällt. Vgl. § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB.
Condictio ob rem
Kondiktion bei Nichteintritt des nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Ziels. Vgl. §812 I S. 2 Var. 2 BGB.
Condictio ob turpem vel iniustam causam
„Rückforderung aufgrund von Unsittlichkeit oder Unrecht“. Vgl. § 817 S. 1 BGB.
Condictio sine causa
„Rückforderung aus einer grundlos erfolgten Zuwendung“.
Contra legem
„Gegen das Gesetz“. Rechtsfortbildung oder ein Urteil, dass sich über den ausdrücklichen Wortlaut einer Norm hinwegsetzt. Rechtsfortbildung, Entscheidung oder ein Vorgehen, die/das mit dem geltenden Gesetz nicht zu vereinbaren ist.
​
Corpus iuris civilis
Sammelbezeichnung für eine 533 vom oströmischen Kaiser Iustinian zusammengestellte Kodifikation des römischen Rechts, bestehend aus den Institutiones, den Pandekten (oder Digesten), des Codex Iustinianus sowie den Novellae. Es handelt sich um das Werk, welches zur Hauptquelle des in späteren Jahrhunderten in Europa rezipierten römischen Rechts überhaupt wurde.
Culpa
„Verschulden“ im weiteren und „Fahrlässigkeit“ im engeren Sinn (Zivilrecht); Schuld (Strafrecht).
Culpa in contrahendo
„Verschulden beim Vertragsschluss“: Während Vertragsverhandlungen gilt bereits ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, dessen schuldhafte Verletzung zu Schadenersatz führen kann. Insbesondere besteht eine Pflicht zur Aufklärung wichtiger Umstände, die den abzuschließenden Vertrag betreffen und die die Gegenpartei nicht kennt.
Culpa post contractum finitum
„Verschulden nach beendetem Vertrag“: Auch nach beendetem Vertrag können Schadenersatzansprüche aus nachvertraglicher Pflichtverletzung entstehen.
D
De facto
„Nach den Tatsachen“.
De jure
„Von Gesetzes wegen“.
De lege ferenda
„nach zu machendem Recht“: Beschreibt die Rechtssituation, die unter einer erst noch in Kraft zu setzenden Rechtsnorm gelten wird. Gegensatz von: de lege lata.
De lege lata
„Nach gelegtem Recht“: Beschreibt die derzeit geltende Rechtssituation im Unterschied zu einem Rechtszustand, der durch eine (geplante) Rechtsnorm herbeigeführt wird (de lege ferenda).
​
Debitor
„Schuldner“.
Diligentia quam in suis (rebus adhibere solet)
„Sorgfalt wie in eigenen (Dingen angewendet werden soll)“: Diejenige Sorgfalt, die man auch in eigenen Angelegenheiten aufbringt. Diese wird in bestimmten Ausnahmefällen als Fahrlässigkeitsmaßstab akzeptiert und führt dann regelmäßig zu einer geminderten Haftung, normiert in § 277 BGB. Bsp.: A gibt dem C sein Fahrrad während einer Urlaubsabwesenheit in unentgeltliche Verwahrung. C stellt das Fahrrad in seine Garage. C arbeitet in der Garage an einer Werkbank und ein Metallteil beschädigt dabei den Reifen des Fahrrads des A. Dass Gegenstände in der Nähe seiner Werkbank durch herumfliegende Teile beschädigt werden, passiert dem C häufiger.
​
Nach § 690 BGB haftet C bei der unentgeltlichen Verwahrung nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bis zum Maßstab der groben Fahrlässigkeit. Wenn man das für ihn übliche Arbeiten an einer Werkbank mit Metallteilen in einer Garage nur als leicht fahrlässig einstuft ist er damit von der Haftung befreit. Dann muss A den Reifen auf seine Kosten reparieren lassen. Geht hier man hier von einer groben Fahrlässigkeit aus, würde dem C die Haftungserleichterung nicht helfen und er müsste für den Schaden aufkommen.
Do ut des
„Ich gebe, damit du gibst.“: Ausdruck der Annahme eines synallagmatischen, auf gegenseitigem Nehmen und Geben beruhenden Leistungsverhältnisses zwischen Vertragsparteien. Bedeutet nicht zwingend die Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug.
Dolo agit (qui petit, quod statim redditurus est)
„Böswillig handelt (wer fordert, was er sofort wird zurückgeben müssen)“: Diese Wendung leitet sich aus dem Rechtsgrundsatz ab, dass man seine Rechte bei Rechtsmissbrauch nicht durchsetzen kann; jedenfalls steht dem Schuldner die dolo-agit-Einrede aus § 242 BGB zu. Bsp.: E ist Erbe des A, der verstorben ist und ein Testament hinterlässt. Hierin ordnet A an, dass sein bester Freund F sein Auto, das zur Erbmasse gehört, als Vermächtnis erhalten soll. Vor seinem Tod hat A Durch den Erbfall geht das Eigentum am Auto nach § 1922 BGB auf E über, der nun das Leihverhältnis beenden möchte und das Auto heraus verlangt. F kann der Klage des E die dolo-agit-Einrede entgegenhalten und muss daher das Auto nicht erst an E herausgeben, um im Anschluss in einem zweiten Prozess seinen eigenen Anspruch aufgrund des Vermächtnisses gegen E durchzusetzen.
Dolo
„Arglistig“, „schuldhaft“.
Dolus
Je nach Zusammenhang „Vorsatz“, „Schuld“ oder „Verschulden“.
​
Dolus alternativus
„Alternativer Vorsatz“: Der Täter hat einen Tatentschluss, weiß aber nicht, welchen der beiden sich ausschließenden Tatbestände er erfüllen wird. Bsp.: A wird von B und dessen Hund verfolgt. Mit der letzten Kugel seiner Pistole schießt A auf seine Verfolger in der Hoffnung, dass zumindest einer der beiden getroffen wird.
Dolus antecedens
„[Der Tat] vorangehender Vorsatz“. Gegensatz zu dolus subsequens.
Dolus directus
„Direkter [das heißt unbedingter] Vorsatz“: Der Täter weiß um das Ergebnis seiner Tat und will dieses so auch erreichen.
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Dolus eventualis
„Eventual- [das heißt bedingter] Vorsatz“: Beim Eventualvorsatz hält der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes ernsthaft für möglich, findet sich aber mit diesem Risiko ab. Abzugrenzen ist der dolus eventualis auf Vorsatzebene daher gegenüber dem direkten Vorsatz und gegenüber der bewussten Fahrlässigkeit.
Dolus generalis
„Allgemeiner Vorsatz“. Bei den Fällen des klassischen dolus generalis handelt es sich um Situationen, in denen der Täter bei einem mehraktigen Geschehen glaubt, sein Opfer bereits durch eine Ersthandlung getötet zu haben, wobei er es tatsächlich erst durch eine Zweithandlung umbringt (vgl. hierzu insbesondere den bekannten Jauchegruben-Fall nach BGHSt 14, 193).
Dolus subsequens
„(Der Tat) nachfolgender Vorsatz“. Gegensatz zu dolus antecedens.
E
Erga omnes
„Gegenüber allen“: Bezeichnung der Wirkung absoluter Rechte, die nicht nur gegenüber einer Vertragspartei (siehe inter partes), sondern gegenüber jedermann gelten. Derartige absolute Rechte wirken in eine negative und eine positive Richtung: Der Rechtsinhaber kann Dritte von der Benutzung ausschließen (Ausschlussfunktion) sowie das Recht alleine nutzen (Nutzungsfunktion). Beispiele sind Persönlichkeitsrechte, dingliche Sachenrechte (z.B. Eigentum) und Immaterialgüterrechte.
Error
„Irrtum“: Unbewusstes Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem.
Error in negotio
„Irrtum über das (Rechts-)Geschäft“: Mit error in negotio wird ein Unterfall des Inhaltsirrtums bezeichnet, bei dem sich der Erklärende über die Art des Vertrages irrt. Bsp.: Der Erklärende denkt er nimmt ein Schenkungsangebot an, dabei ist es ein Kaufvertrag.
Error in obiecto
„Irrtum über den Gegenstand“: Der Erklärende irrt sich über den Gegenstand des Rechtsgeschäftes.
Error in persona
„Irrtum über die Person“: Der Erklärende irrt sich über den Partner des Rechtsgeschäftes.
Error in persona vel obiecto
„Irrtum in der Person oder im Objekt“: Tatbestand, wonach der Täter trifft, was er treffen wollte, aber sich dabei über das Ziel getäuscht hat. Der Täter will also beispielsweise seinen verhassten Kollegen erschießen und trifft die Silhouette im Fenster des Nachbarbüros. In Tat und Wahrheit handelt es sich dabei aber um die Putzfrau, die gerade das Büro reinigt.
Essentialia negotii
„Wesentliche Vertragspunkte“: Die essentialia negotii müssen in jedem Fall vom (normativen) Konsens getragen sein, damit ein Vertrag zustande kommt. Die Essentialia negotii müssen bei einem Kaufvertrag z. B. bei § 433 BGB zumindest Informationen enthalten über die Namen der Vertragsparteien, die Kaufsache, den Preis und den Zeitpunkt der Erfüllung.
Ex ante
„Von vornherein“: Bezeichnung für die Betrachtung eines Sachverhalts aus der Perspektive, bevor sich dieser bereits ereignet hat. Gegensatz zu ex post.
Ex contractu
„Aus Vertrag“: Bezeichnung für einen (Schadenersatz-)Anspruch, der sich auf eine(n) Vertrag(sverletzung) stützt.
Ex delicto
„Aus Vergehen“: Bezeichnung für einen Schadenersatzanspruch, der sich auf die Schädigung eines Rechtsguts stützt.
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Ex lege
„Kraft Gesetzes“. Bsp.: Bei einem Betriebsübergang gehen nach §613a BGB die Arbeitsverhältnisse ex lege auf den neuen Betriebsinhaber über, sie müssen also nicht erst durch Abschluss neuer Verträge übernommen werden
Ex nunc
„Von nun an“: Wird oft im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Rechtswirkung verwendet. Gegensatz zu ex tunc.
Ex officio
„Von Amtes wegen“.
​
Ex parte
„Aus [Sicht] einer Seite“: Für oder gegen eine Seite oder Partei.
Ex post
„Im Nachhinein“: Bezeichnung für die Betrachtung eines Sachverhalts aus der Perspektive, nachdem sich dieser bereits ereignet hat. Gegensatz zu ex ante. Bsp.: O wird von dem ihm körperlich weit unterlegenen T mit einer auch für O echt aussehenden Spielzeugpistole bedroht. O schlägt daher dem T mit einem schnellen Schlag gegen den Kopf, wobei er den T stark verletzt. Aus einer Betrachtung ex ante würde die Tat des O an dem gemessen, was er erkennen konnte, bevor er den T geschlagen hat. Für ihn sah die Pistole zu diesem Zeitpunkt echt aus. Betrachtet man die Situation ex post, würde man mitberücksichtigen, dass es sich lediglich um eine Spielzeugpistole handelte.
Ex tunc
„Von damals an“: Wird oft im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Rechtswirkung verwendet. Gegenstück ist ex nunc. Bsp.: Die Wirkung der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts nach § 142 Abs. 1 BGB ist ex tunc, da durch sie das Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist.
Expressis verbis
„Mit ausdrücklichen Worten“.
F
Falsa demonstratio non nocet
„Die falsche Bezeichnung schadet nicht“: Verkörperung des Willensprinzips, wonach der Gehalt einer Willenserklärung nicht anhand der Wortwahl, sondern am wahren Willen der Parteien ermittelt wird. Bsp.: Wollen zwei Parteien einen Kaufvertrag über Walfleisch abschließen, bezeichnen dieses aber fälschlicherweise als Haifischfleisch, hindert dies den Vertrag nicht an seiner Gültigkeit (vgl. Haakjöringsköd-Fall).
Falsus procurator
„Falscher Vertreter“: Jemand, der als Vertreter auftritt, obwohl er keine Vertretungsmacht innehat (angemaßte Vertretung). Vgl. § 179 BGB.
Favor contractus
„Vorzug des Vertrags“: Grundsatz des Völkerrechts, wonach völkerrechtliche Verträge auch dann aufrechterhalten bleiben, wenn die Parteien diese nicht mehr gutheißen. Diese Verträge müssen – sofern überhaupt möglich – erst gekündigt werden; ferner Grundsatz im Vertragsrecht, dass Verträge soweit möglich aufrechterhalten werden sollen. Bsp.: Der Verkäufer im Kaufrecht grundsätzlich die Möglichkeit zur Nachbesserung, also eine Reparatur der beschädigten Ware vorzunehmen).
Favor testamenti
„Vorzug des Testaments“: Erbrechtlicher Grundsatz, demgemäß soweit wie möglich die Wirksamkeit eines Testamentes und damit der Wille des Erblassers erhalten werden soll. Dies kann z.B. durch eine gesetzeskonforme Auslegung geschehen. Vgl. § 2084 BGB.
Fiduziar
„Treuhänder“: Zumeist bei Sicherungsübereignungen.
Forum
„Gericht“/„Gerichtsstand“: Abgeleitet vom Forum als antiker öffentlicher Platzanlage, auf der u.a. auch Gerichtsverhandlungen stattfinden konnten. Der Forumstaat ist dementsprechend der Staat, in dem ein angerufenes Gericht, dessen Zuständigkeit noch zu klären ist, seinen Sitz hat.
Furtum usus
„Gebrauchsanmaßung“. Bloß unbefugte vorübergehende Gebrauch ohne erhebliche Substanzverletzung. Ist keine Zueignung und in der Regel straflos (Ausnahmen in §§ 248 b, 290 StGB).
G
Genus non perit/Genera non pereunt
„Die Gattung geht nicht unter“: Ist eine Schuld nur der Gattung nach bestimmt (beispielsweise in der Form „3 Schränke“), kann die Schuld nicht unmöglich werden, weil es immer wieder Elemente dieser Gattung (also Schränke) geben kann.
H
„Du mögest den Körper haben“: Das Recht Verhafteter auf unverzügliche Haftprüfung vor Gericht.
I
Ignorantia facti
„Tatbestandsirrtum“. Opfer einer Straftat hat zwar eine Fehlvorstellung über Tatsachen, diese Fehlvorstellung besteht jedoch nicht aufgrund einer intellektuellen Einwirkung des Täters. Der Täter hat lediglich auf das Bezugsobjekt der Vorstellung des Opfers eingewirkt. Bsp.: Schwarzfahrer T schleicht sich unbemerkt in den Zug. Der Schaffner hat hier zwar die irrige Vorstellung, dass nur Fahrgäste mit Fahrkarte im Zug seien. Diese irrige Vorstellung beruht aber nicht auf einer intellektuellen Einwirkung des Täters auf sein Vorstellungsbild. Es liegt kein Irrtum im Sinne des Betruges gemäß § 263 StGB vor.
In dubio pro reo (iudicandum est)
„Im Zweifel[sfalle] (ist) für den Angeklagten (zu entscheiden)“: Unschuldsvermutung als tradierter Grundsatz der Strafrechtspflege, heutzutage Grundlage jedes rechtsstaatlichen Strafrechts. Verbrieft u.a. in Art. 6 Abs. 2 EMRK.
Inter partes
„Zwischen den Parteien“: Nicht gegenüber jedermann und absolut, sondern nur zwischen den Parteien (eines Vertrages) gültig. Gegensatz zu erga omnes.
Invitatio ad offerendum
„Einladung, ein Angebot zu machen“: Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Bsp.: Die Auslage im Schaufenster eines Einkaufsladens ist typischerweise eine invitatio ad offerendum.
Ipso iure
„Aus dem Gesetz selbst“: kraft Rechts, kraft Gesetzes, gesetzlich. Bsp.: Die Minderung im Mietrecht (vgl. § 536 BGB) tritt ipso iure ein, sie ist also, anders als im Kaufrecht, kein Gestaltungsrecht.
Iudex a quo
„Der Richter, von dem“: Der Richter, der einen Rechtsfall an einen anderen abgibt. Gegensatz zu iudex ad quem.
Iudex ad quem
„Der Richter, zu dem“: Der Richter, an den ein Rechtsfall weiterverwiesen wird. Gegensatz zu iudex a quo.
Iudex non calculat
„Der Richter rechnet nicht“: Der Richter entscheidet nicht, indem er Argumente zählt, sondern indem er sie (nach ihrer Überzeugungskraft) wägt. Der historische Ursprung der Sentenz liegt dagegen wohl bei einer eher technischen Aussage in den Digesten (Macer Dig. 49, 8, 1, 1), wonach offenbare Rechenfehler im Urteil nicht schaden würden und ohne Weiteres berichtigt werden dürften, vgl. für das deutsche Recht heute § 319 ZPO. Die Redewendung wird häufig auch scherzhaft gebraucht im Sinne von „Der Richter [oder allgemein der Jurist] kann nicht rechnen“.
Iura novit curia
„Das Gericht kennt das Recht“: Die Parteien eines zivilrechtlichen Rechtsstreits müssen lediglich die Tatsachen für die Entscheidung beibringen, nicht aber die einschlägigen Rechtsnormen – diese dürfen sie als bekannt voraussetzen. Einschränkung nach § 293 ZPO für ausländische Rechtsnormen.
Ius soli
„Recht des Bodens“: Geburtsortsprinzip, wonach ein Staat die Staatsbürgerschaft allen Kindern verleiht, die auf seinem Gebiet geboren werden.
Ius sanguinis
„Das Recht des Blutes“: Abstammungsprinzip.
Ius variandi
Bezeichnet das Recht eines Gläubigers zwischen zwei Leistungen wählen zu dürfen. Bsp.: Der Käufer kann im Kaufrecht wählen, ob er Nachlieferung oder Nachbesserung wünscht.
L
Lex causae
„Des Rechts des Falles“: Verweist auf jenes materielle Recht, das nach dem Internationalen Privatrecht zur Anwendung gelangt.
Lex fori
„Recht des Gerichts[orts]“.
Lex generalis
„Allgemeines Gesetz“: Ein Gesetz, welches einen Sachverhalt abstrakter umschreibt als das entsprechende lex specialis. Bsp. Siehe „Lex specialis derogat legi generali“.
Lex imperfecta
„Unvollständiges Gesetz“: Eine Vorschrift, an deren Tatbestand keine Rechtsfolge geknüpft ist, also „nichts passiert“, wenn man sie nicht einhält.
lex perfecta
„Vollkommenes Gesetz“: Eine Vorschrift, die an einen konkreten Tatbestand unmittelbar die Nichtigkeitsfolge knüpft.
Lex posterior derogat legi priori
„Jüngeres Recht bricht älteres Recht“: Widersprechen sich zwei Gesetze, wird das jüngere von beiden angewendet.
Lex specialis derogat legi generali
„Das besondere Gesetz verdrängt das allgemeine“: Auslegungsregel, die besagt, dass eine besondere Regelung vor und anstatt der allgemeinen Regelung Anwendung findet. Bsp.: Nach § 137 S. 2 BGB kann sich jeder einem anderen gegenüber schuldrechtlich zur Nichtveräußerung seines Grundstücks verpflichten. Nach § 1136 BGB kann er dies jedoch nicht dem Hypothekengläubiger gegenüber. § 137 BGB ist die allgemeine Regel, der gegenüber für den Sonderfall des § 1136 BGB diese spezielle Regel vorgeht.
Lex superior derogat legi inferiori
„Das ranghöhere Gesetz verdrängt das rangniedere“: Auslegungsregel, nach der zum Beispiel Bundesrecht Landesrecht bricht. Vgl. Art. 31 GG.
Longa manu traditio
„Übergabe langer Hand“: im Unterschied zur brevi manu traditio meint eine Besitzübertragung, bei der der Besitzende nur den Besitz innehat, nicht aber tatsächlichen Gewahrsam. Bsp.: Bauer verkauft seine im Wald lagernden Baumstämme. Vgl. § 854 Abs. 2 BGB.
Lucidum intervallum
„Lichter (heller) Moment/Augenblick“: Bezeichnung für den Zeitraum, in dem jemand mit einer geistigen Beeinträchtigung zwischenzeitlich dennoch (voll) zurechenbar ist. Eine bestimmte Tat wurde also ausnahmsweise im vorübergehenden Zustand voller Zurechnungsfähigkeit begangen.
Lucrum ex (negotio cum) re
„Gewinn aus (dem Handel mit) der Sache“: Der bloße Gebrauchswert, also der erzielte Gewinn bei Verwertung der Sache.
M
Mala fides
„Schlechter Glauben“: Bösgläubigkeit. Gegensatz zu Gutgläubigkeit. Vgl. § 932 Abs. 2 BGB.
Mancipatio
Grundgedanke des abstrakten Verfügungsgeschäfts. Bei den Römern ein abstraktes Verfügungsritual.
N
Nasciturus
„Jemand, der geboren werden wird“: Leibesfrucht, ungeborenes Kind (als Rechtssubjekt, zum Beispiel im Erbrecht).
Ne bis in idem
„Nicht zweimal im Hinblick auf ein und das selbe“: Verbot der doppelten Strafverfolgung. Bedeutet, dass nicht zweimal wegen derselben Tat geurteilt werden darf. Vgl. Art. 103 Abs. 3 GG; für die meisten UNO-Mitgliedsstaaten in Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II.
Nemo iudex in sua causa
„Niemand sei Richter in eigener Sache“: Unbefangenheitsgrundsatz, Ausschluss vom Richteramt. Vgl. z.B. §§ 24 ff. StPO.
Non liquet
„Es ist nicht deutlich“: Bezeichnet Fälle, in denen auch nach der Beweisaufnahme der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist. Im Zivilrecht erfolgt dann das Urteil nach den Regeln der Beweislast, im Strafrecht gilt in dubio pro reo.
Nullum crimen, nulla poena sine lege
„Kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz“ ist die Zusammenfassung des sogenannten Gesetzlichkeitsprinzips.
Nullum crimen sine lege
„Kein Verbrechen ohne Gesetz“. Teil des Gesetzlichkeitsprinzips.
Nulla poena sine lege
„Keine Strafe ohne Gesetz“. Teil des Gesetzlichkeitsprinzips.
Nulla poena sine lege stricta
„Keine Strafe ohne strenges Gesetz“. Umschreibt das Analogieverbot.
Nulla poena sine culpa
„Keine Strafe ohne Schuld“. Umschreibt das Schuldprinzip.
Nulla poena sine lege certa
„Keine Strafe ohne bestimmtes Gesetz“. Umschreibt das Bestimmtheitsgebot.
Nulla poena sine lege praevia
„Keine Strafe ohne vorheriges Gesetz“. Umschreibt das Rückwirkungsverbot.
Nulla poena sine lege scripta
„Keine Strafe ohne geschriebenes Gesetz“. Umschreibt das Verbot der Bestrafung nach Gewohnheitsrecht.
O
Obiter dictum
„Nebenbei Gesagtes“: Eine in einem Urteil nebenbei geäußerte Rechtsansicht, die für das Urteil selbst nicht relevant ist.
Offerta ad incertas personas
„Angebot an unbestimmten, [aber bestimmbaren] Personenkreis“. Bsp.: Aufstellen von Warenautomaten.
​
Omissio libera in causa
„Freie Unterlassung in der Ursache“. Das selbstverantwortliche Außerstandesetzen des Garanten, seine Handlungspflicht zu erfüllen, durch aktives Tun. Bsp.: Bademeister B betrinkt sich während seiner Dienstzeit so heftig, dass er – wie er selbst erkennt – im Notfall niemanden mehr retten könnte, nimmt dies angesichts der wenigen Badegäste jedoch billigend in Kauf. Tatsächlich ertrinkt A.
Omni modo facturus
„Unter allen Umständen Handelnder“: Ein Täter, der so oder so vorhat, eine Tat zu begehen.
P
Pacta sunt servanda
„Verträge sind einzuhalten“: Eine Grundnorm jeden Vertragsrechts.
Pactum de contrahendo
„Vorvertrag“.
​
Pactum de non cedendo
„Vertragliches Abtretungsverbot“.
Pactum de non petendo
„Stundungsvereinbarung“.
Petitio Principii
„Inanspruchnahme des Beweisgrundes“: Zirkelbeweis. Argumentative Figur, bei der eine Behauptung durch Aussagen begründet wird, welche die zu beweisende Behauptung schon als wahr voraussetzen.
Perpetuatio fori
„Fortdauer des Gerichtes“: Je nach Prozessgesetz bleibt das Gericht, bei welchem eine Klage anhängig gemacht wird, auch bei einem späteren Wegfall von dessen Zuständigkeit zuständig. Vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 GVG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geregelt.
Prae limine
„Vor der Schwelle [des Gerichts]“: Verfahren hinsichtlich Gerichtsbarkeit und teilweise Zulässigkeit.
Praeter legem
„Am Gesetz vorbei“. Rechtsansicht, die am (geschriebenen) Gesetz vorbeigeht, die sich zwar nicht über den Wortlaut der Norm hinwegsetzt, gleichwohl aber nicht mehr vom Wortsinn der Norm gedeckt ist. Rechtsfortbildungen praeter legem sind z.T. notwendig, wenn das Gesetz bestimmte Fallkonstellationen zunächst übersieht – wie etwa die culpa in contrahendo oder die positive Vertragsverletzung in der ursprünglichen Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches oder aber, wenn neue Arbeitsweisen oder Vertragstypen einer rechtlichen Einordnung bedürfen, wie dies z.B. beim Factoringvertrag oder bei der Sicherungsübereignung war.
Prima facie
„Auf den ersten Anschein“.
Prima vista
„Auf den ersten Blick“.
Pro forma
Nur der Form halber, um der Form zu genügen, nur zum Schein.
Pro futuro
„Für die Zukunft“.
Pro rata temporis
„Zeitanteilig“.
R
Ratio decidendi
„Entscheidungsgrund“, steht für Begründung (z. B. Tatbestand, Erwägungen usw.) in einer Gerichtsentscheidung, die für die Entscheidung tragend sind. Gegenteil ist das obiter dictum.
Ratio legis
„Sinn des Gesetzes“.
Reformatio in peius
„Abänderung ins Schlechte“: Änderung zu Ungunsten. Bsp.: Hauseigentümer E baut ohne Baugenehmigung eine Sauna in seinem Garten. Er erhält von der Stadt eine Verfügung, dass er einen Teil des Gebäudes abreißen müsse, da das Gabäude zu nah an der Grundstücksgrenze sei. E legt form und fristformgerecht einen Widerspruch ein. Die zuständige Widerspruchsbehörde prüft den Widerspruch und kommt zu dem Ergebnis, dass das die gesamte Sauna abgerissen werden muss.
Rei vindicatio
„Vindikationsklage“: Der Eigentümer kann gegenüber jedem Besitzer die Herausgabe der Sache mittels Vindikation verlangen. Vgl. § 985 BGB.
Res extra commercium
„Sachen außerhalb des Privatrechtsverkehrs“. Beispielsweise illegale Betäubungsmittel. Gegenteil ist das res in commercio.
S
Se ut dominum gerere
„Sich wie der Eigentümer aufführen“: Mit einer Sache verfahren, als sei man der Eigentümer, ohne es zu sein. Relevant bei der Bestimmung der Zueignungsabsicht i.S.d. § 242 StGB.
Societas
„Gesellschaft“.
Solvendi causa
„In Erfüllung einer Verbindlichkeit“.
Specificatio
„Verarbeitung“. Vgl. § 950 BGB.
Sui generis
„Eigener Art“.
T
Turpis causa
„Sittenwidriger Zweck“.
U
Ultima ratio
„Letzte (ultimative) Lösung“.
V
Venire contra factum proprium
„Auftreten gegen eine eigene Handlung“: Verbot, sich zu seinem vorherigen Tun in Widerspruch zu setzen. Bsp.: K kann sich nicht auf Verjährung berufen, wenn er sich zuvor verhandlungsbereit gezeigt und damit bewirkt hat, dass der Gläubiger C auf eine rechtzeitige Klageerhebung verzichtete. Vgl. § 242 BGB.
Vis absoluta
„Willensbrechende Gewalt“. Bsp.: Fesseln einer Person.
Vis compulsiva
„Willensbeugende Gewalt“. Bsp.: Erzwingen einer Handlung durch die Zufügung von Schmerzen.
Fallen Dir noch weitere Begriffe oder Redewendungen ein? Schreibe gerne eine Nachricht an defacto.jura@gmail.com, damit ich diese Liste vervollständigen kann!