Jura-Slang - So reden die Juristen!
Hast Du gerade mit dem Jurastudium begonnen und hörst, wie die Kommilitonen in höheren Semestern mit Begriffen wie „Moot Court“, „Freischuss“, "Ziegelstein" oder „Law Clinic“ um sich werfen? Falls Du noch nicht weißt, was sich dahinter verbirgt und Du in Zukunft gerne mitreden würdest, dann findest Du hier eine kleine Übersicht von Ausdrücken, die Juristen und Juristinnen gerne verwenden.
"Vier gewinnt!"
„Vier gewinnt“ ist das Motto vieler Studierender in den Anfangssemstern. Dies kommt daher, dass die juristische Notenskala zwar bis zu 18 Punkte vorsieht, zum Bestehen der Klausuren, Hausarbeiten oder mündlichen Prüfungen jedoch bereits vier Punkte ausreichen. Bei drei oder weniger Punkten in einer Klausur oder Hausarbeit gilt diese als nicht bestanden und man ist durchgefallen. Daher ist das Ziel vieler Studierender in den ersten Semestern erst einmal in den Klausuren oder Hausarbeiten mindestens vier Punkte zu erreichen, um die Zwischenprüfung zu bestehen und weiter studieren zu dürfen. In den höheren Semestern – insbesondere, wenn es auf die Examensvorbereitung zugeht – werden die Ansprüche aber meist deutlich höher. Hier kannst Du mehr über das „besondere“ Notensystem im Jurastudium erfahren.
"Moot Courts"
Ein Moot Court (deutsch: Scheingericht) ist eine simulierte Gerichtsverhandlung im Rahmen der juristischen Aus- und Weiterbildung. Es handelt sich um eine Art Rollenspiel, in dem Teilnehmer in die Rolle der Anwälte der jeweiligen Prozessparteien schlüpfen und diese vertreten. Moot Courts stammen ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Raum, in dessen Rechtssystem juristische Plädoyers und Rhetorik eine ausgeprägtere Bedeutung haben als im kontinentaleuropäischen Rechtssystem. Daher werden mittlerweile auch einige Moot Courts auf Englisch durchgeführt. Es gibt nationale und internationale Wettbewerbe, die den Teilnehmern nicht nur Erfahrungen und Praxiseinblicke beim Verhandeln vor Gericht bringen, sondern auch eine riesige Plattform für einen interkulturellen Austausch bieten. Näheres über Moot Courts kannst Du hier erfahren.
"Freischuss"
Der sog. „Freischuss“ oder auch „Freiversuch“ bzw. „freier Prüfungsversuch“ stellt eine Ausnahme von der Regel dar, dass jeder Jurastudierende „nur“ zwei Versuche zum Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung (des ersten Staatsexamens) hat. Die Möglichkeit des Freischusses besteht meistens nach dem Ende der Regelstudienzeit (meist zehn Fachsemester) und soll Studierende belohnen, die bis dahin ihr Studium zügig durchgezogen haben. Sie haben dann die Möglichkeit, die Prüfung zum ersten Staatsexamen zum ersten Mal zu durchlaufen und ggf. beim ersten Versuch bereits ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Sollte dies nicht der Fall sein, können sie sich erneut zur Prüfung anmelden. Es gilt am Ende insgesamt der bessere Versuch, sodass, auch wenn der zweite Versuch schlechter ausfällt, nur das Ergebnis des Freischusses zählt.
"Gutachtenstil"
Der Gutachtenstil ist die Form, in der Jurastudenten während des Studiums schreiben müssen. Die Aufgabe in den Klausuren und Hausarbeiten besteht regelmäßig darin, die Lösung eines Falls in Form eines Gutachtens zu präsentieren. Um dieses Gutachten möglichst klar und strukturiert zu verfassen und für den Leser verständlich zu machen, wird der Gutachtenstil verwendet, der einem streng formalisierten Aufbau folgt. Hier muss man extrem kleinschrittig vorgehen, was gerade in den Anfangssemestern vielen Studierenden schwerfällt und oft überflüssig erscheint. Es ist jedoch für den weiteren Studienverlauf sehr wichtig, den Gutachtenstil zu verinnerlichen und anwenden zu können. Wenn Du einmal sehen möchtest, wie ein Gutachten im Gutachtenstil geschrieben wird oder noch Tipps und Tricks für die Verbesserung Deines Gutachtenstils benötigst, wirst Du hier fündig.
"Law Clinic"
Das Konzept, das hinter den Law Clinics steckt, stammt ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum. Es sollten Beratungsstellungen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die eine kostenpflichtige Rechtsberatung aufgrund von Mittellosigkeit nicht in Anspruch nehmen können, geschaffen werden. Im Rahmen dieser Law Clinics werden hauptsächlich Ehrenamtliche tätig, die die Hilfesuchenden beraten und versuchen, ihre rechtlichen oder sozialen Probleme zu lösen. Einen großen Einsatzbereich hatten die Law Clinics in den letzten Jahren vor allem im Bereich des Ausländer- und Asylrechts. Aber auch in anderen Rechtsgebieten können Bedürftige auf Hilfe durch die Law Clinics hoffen. In diesen Law Clinics engagieren sich auch viele Studenten, die so neben dem theoretischen Studium einiges an praktischer Erfahrung sammeln können und eng mit Professoren und Professorinnen und Praktikern zusammenarbeiten können.
"Prädikatsexamen"
Ein Prädikatsexamen ist ein besonders gutes Examen, von dessen Erreichen wohl die meisten Jurastudierenden träumen. Da die Noten der beiden Staatsexamina für die spätere Bewerbung bei potenziellen Arbeitgebern besonders ausschlaggebende Auswahlkriterien sind, ist das Anstreben eines solchen Ergebnisses ein durchaus nachvollziehbares Ziel. Um ein Prädikatsexamen zu erreichen, muss die erste juristische Prüfung mit mindestens neun Punkten, d.h. mit „vollbefriedigend“ abgeschlossen werden. Das mag vor dem Hintergrund, dass die juristische Notenskala bis zu 18 Punkte vorsieht zwar gar nicht so schwer erscheinen. Jedoch ist die Bewertung der Klausuren, Hausarbeiten und sonstigen Prüfungsleistungen unter Juristen besonders streng, sodass hohe Punktzahlen nur in sehr wenigen Fällen vergeben werden. Wenn Du genaueres über die juristische Notenskala erfahren willst, klicke bitte hier.
"Referendariat"
Das Referendariat oder auch „Ref“ ist eine weitere Station des angehenden Juristen auf dem Weg zum Volljuristen. Als das Referendariat bezeichnet man den zweijährigen Zeitraum, den die Rechtsreferendare und Rechtsreferendarinnen nach der ersten juristischen Prüfung absolvieren. Allerdings muss das Referendariat nicht zwingend direkt an das Studium angeschlossen werden. Viele nutzen auch die Möglichkeit, die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Examen mit einem Auslandsstudium oder dem Schreiben einer Doktorarbeit zu verbringen. Während des Referendariats die Referendarinnen und Referendare unterschiedliche Pflicht- und Wahlstationen, die der Vorbereitung auf die spätere Praxis dienen. Zum Beispiel wird eine Station bei der Staatsanwaltschaft absolviert. An das Referendariat schließt sich die Prüfung des zweiten Staatsexamens an, die bei erfolgreichem Bestehen zum Richteramt befähigt.
"Schwerpunktbereichsstudium"
Das Schwerpunktbereichsstudium ist ein Teil des Hauptstudiums und ist i.d.R. ab dem fünften Fachsemester vorgesehen. Hier haben die Studierenden die Möglichkeit, sich mit einem bestimmten Rechtsgebiet, das in dem Grund- und Hauptstudium ansonsten – wenn überhaupt – nur wenig gestreift wird, auseinanderzusetzen. Im Idealfall wählt man hier bereits dasjenige Rechtsgebiet, das auch im späteren Arbeitsleben interessant wäre. Die Schwerpunkte sind sehr vielfältig und das Angebot hängt stark von der jeweiligen Universität ab. In dem gewählten Schwerpunktbereich wird am Ende des Studiums auch die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung absolviert. Hier kannst Du mehr über das Schwerpunktbereichsstudium erfahren.
"Volljurist"
Als Volljuristen bezeichnet man jemanden, der die Befähigung zum Richteramt erworben hat. Dies setzt in Deutschland voraus, dass man
-
ein Jurastudium mit der ersten juristischen Prüfung (erstes Staatsexamen) abgeschlossen hat,
-
ein etwa zweijähriges Referendariat absolviert hat und
-
im Anschluss daran die Prüfung des zweiten Staatsexamens erfolgreich absolviert hat.
Als Volljurist hat man grundsätzlich die Möglichkeit, alle klassischen juristischen Berufe wie Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Staatsanwältin/Staatsanwalt oder Richterin/Richter auszuüben.
"Sachverhaltsquetsche"
In Hausarbeiten und Klausuren geht es darum, den vorgelegten Sachverhalt, in dem ein Geschehen beschrieben wird, auszuwerten und ein Gutachten dazu zu verfassen. Dabei muss man den Sachverhalt mehrmals aufmerksam lesen und alle relevanten Informationen aufnehmen, um diese später in seinem Text verarbeiten zu können. Allerdings darf man dabei keine Sachverhaltsinformationen uminterpretieren oder hinzudichten. Der Sachverhalt ist verbindlich und darf nicht in Frage gestellt werden. Aus dem Sachverhalt weitere Informationen "herauszuquetschen" sollte man daher dringend unterlassen.
"Idioten-Wiese"
Die sog. "Idioten-Wiese trägt diesen Namen an sich vollkommen zu Unrecht. Als "Idioten-Wiese bezeichnen Juristen das Stichwortverzeichnis (Sachverzeichnis), welches sich ganz hinten im Gesetz befindet. Der Name stammt daher, dass ein Blick in die Idioten-Wiese, also in das Sachverzeichnis vermeintlich nur dann notwendig ist, wenn man vollkommen hilflos ist und überhaupt nicht weiß, wo eine bestimmte Norm stehen könnte. Mit dem Sachverzeichnis zu arbeiten ist aber überhaupt keine Schande. Im Gegenteil: Manchmal stößt man hier auf Normen und Stichwörter, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Außerdem ist es ist für das Prüfungsergebnis am Ende nicht von Bedeutung, wie man auf die entscheidenden Gedanken gekommen ist. Schon so manch eine der am besten bewerteten Klausuren hatte ihren Ursprung in einem beherzten Blick in das Sachverzeichnis.
"Ziegelstein"/"Backstein"/"Schönfelder"
Als "Ziegelstein" bzw. "Backstein" wird der sog. "Schönfelder" (eigentlich "Deutsche Gesetze") unter Juristen bezeichnet. Der Schönfelder ist eine im Verlag C. H. Beck erscheinende Gesetzessammlung, die einige der wichtigsten Gesetzestexte des deutschen Bundesrechts enthält. Dort zu finden sind Zivil- und Strafgesetze wie z.B das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Strafgesetzbuch (StGB). Woher die Spitznamen kommen, lässt sich leicht erklären, wenn man sich den Schönfelder näher ansieht: Ein dickes rotes Buch, ca. 2 kg schwer. Der Schönfelder zählt zum Handwerkszeug des Juristen. Spätestens im Examen ist er als zugelassenes Hilfsmittel die Rettung der Examenskandidaten.
„Wissensprostitution“
Als sog. „Wissensprostitution“ wird es bezeichnet, wenn ein Student oder eine Studentin in der Klausur oder Hausarbeit in der Falllösung Wissen ausbreitet, das mit dem zu lösenden Fall in keinem Zusammenhang steht. Der erste Gedanke mag zwar sein: „Besser ich schreibe viel, irgendetwas wird schon richtig sein!“ Doch dieses Vorgehen ist in den Klausuren und Hausarbeiten nur selten von Erfolg gekrönt. In einem Gutachten geht es darum, problematische Stellen ausführlich und unproblematische Stellen in der gebotenen Kürze abzuhandeln. Erfolgen nun lehrbuchartige Darstellungen an unproblematischen Stellen, betreibt man also „Prostitution mit seinem Wissen“, so leidet darunter die Schwerpunktsetzung. Dies führt in der Regel zu einem Punktabzug und sollte daher unbedingt vermieden werden.